Antrag zur Schulung aller Beschäftigten der Gemeinde in Antidiskriminierung

Eingereicht von: Almut Helvogt

Eingereicht am: 26.01.2022

Status: noch offen

Antragstext:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Ratskolleg*innen,

wir beantragen in den Haushalt 2022 und die drei Folgejahre Mittel für die Schulung aller Beschäftigten der Gemeinde in Verwaltung, Schulen und Kindergärten in Antidiskriminierung in Höhe von 5000 €/a einzuplanen und unverzüglich einen Schulungsplan zu erstellen. Schwerpunkte der Schulungen sollten Antirassismus, Anti-Ableismus (Behindertenfeindlichkeit) und geschlechtliche Vielfalt sein.

Begründung:

Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland lautet: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Im Jahre 2006 wurde außerdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzt (AGG) verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Teil des Gesetzes war die Gründung der Antidiskriminierungsstelle.

Ungeachtet dieser gesetzlichen Grundlagen finden im täglichen Alltag fortlaufend Diskriminierungen statt, die nicht immer absichtsvoll, sondern häufig unabsichtlich aufgrund von Unkenntnis und fehlendem Kontakt mit diskriminierten Gruppen geschehen. Wir alle sind in einer Gesellschaft aufgewachsen, die diskriminierende Haltungen als normal ansah. So war in meiner Kindheit der Gebrauch des gewaltvollen N-Wortes noch allgemein üblich und ist bis heute nicht überall geächtet. Die Tatsache, dass der Bundestag im Jahr 2006 das AGG verabschiedete, zeugt von der Einsicht, dass die Aussage des Artikel 3 GG in unserem Land nicht umfassend in allen Ebenen umgesetzt werden.

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst handeln selbstverständlich nicht stärker diskriminierend als andere Teile unserer Gesellschaft. Daher soll dieser Antrag explizit nicht als Beschuldigung der Beschäftigten missverstanden werden! Wir setzen uns auch für die Weiterbildung der allgemeinen Bevölkerung zu diesen Themen ein. Dies kann aber nicht durch die Gemeinde finanziert oder organisiert, sondern zivilgesellschaftlich auf die Beine gestellt werden.

Doch die Verantwortung staatlicher Institutionen ist besonders hoch. Auf der Homepage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/lebensbereiche/alltagsgeschaefte/aemter-und-behoerden/aemter-und-behoerden-node.html) heißt es: „An Ämter und Behörden sowie an die Politik werden besonders große Erwartungen an ein vorbildliches und diskriminierungsfreies Handeln gestellt. Im Umkehrschluss kann von Diskriminierungen durch den Staat – sei es durch behördliches Handeln auf individueller Ebene oder auf gesetzlicher Grundlage – eine Signalwirkung ausgehen und von anderen Akteur*innen möglicherweise als Legitimation für das eigene diskriminierende Verhalten genutzt werden.“

Worpswede hat für einen Ort seiner Größe eine ungewöhnlich diverse Bevölkerung. Dennoch ist die Sichtbarkeit diskriminierter Gruppen auch bei hier bei uns noch nicht angemessen hoch, was sich auch in der Zusammensetzung der politischen Gremien sowie in der Struktur der Beschäftigten niederschlägt.

Wir sind der Überzeugung, dass viele Diskriminierungen durch Unwissen geschehen und sehen daher die Schulung zu diesen Themen als zielführend zu deren Verminderung an. Dabei geht es insbesondere um den Kontakt von Bürger*innen mit Ämtern der Gemeinde, z.B. im Rahmen gleichgeschlechtlicher Eheschließungen oder bei Personenstandsänderungen im Rahmen des Transsexuellengesetzes sowie um die Sensibilisierung bezüglich Barrierefreiheit, die sich nicht nur auf Rollstuhl-gerechte Räumlichkeiten bezieht. Besonders wichtig ist auch die Bildung unserer Kinder in Kitas und Schulen, die geschlechtergerecht und diskriminierungskritisch erfolgen sollte. Daher umfasst der Antrag auch die Schulung der Beschäftigten in diesen Institutionen. Das Fortbildungsangebot kann auch als Argument bei der Personalgewinnung dienen.

Wir hoffen, dass der Gemeinderat trotz der angespannten Finanzlage diese Investition in die Zukunft unserer Gemeinde beschließt. Wir halten das Thema Antidiskriminierung für so wichtig, dass es zusätzlich zu den bestehenden Fortbildungsangeboten vorangebracht werden sollte. Der Benefit für das Zusammenleben in unserer Gemeinde und eine lebenswerte Zukunft übersteigt die finanzielle Investition um ein Vielfaches.

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.